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»Zu Tisch bitte!«

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Was und wie ich esse, ist Ausdruck meiner Persönlichkeit, meiner Werte und meines Lebensgefühls.
Aber nicht nur das Wie des Essens erzählt etwas über mich – auch das Wo prägt unsere Haltung und unser Empfinden dabei. Wer genau hinsieht, merkt schnell: Der Tisch, an dem wir essen, ist mehr als ein einfaches Möbelstück. Vielmehr ist er Schauplatz täglichen Zusammenkommens.

Woran denken Sie, wenn Sie an Ihren Essplatz denken? Ist es der große Holztisch im Esszimmer, an dem die ganze Familie Platz findet? Der Couchtisch, auf dem am Abend Snacks platziert werden? Vielleicht der Schreibtisch im Büro, an dem das Mittagessen zwischen zwei Terminen eingenommen wird? Oder der kleine Bistrotisch im Lieblingslokal mit Blick ins Freie?

Die Geschichte des Tisches beginnt, lange bevor von »Tischkultur« die Rede war. Frühe Hochkulturen wie die Ägypter (ab ca. 2500 v. Chr.) verwendeten einfache Steintische oder grob bearbeitete Holzblöcke vor allem zu praktischen oder aber rituellen Zwecken, etwa für Opfergaben. Ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. wurden Tische in Griechenland und Rom raffinierter – aus Holz, Bronze oder Marmor, oft mit kunstvollen Beinen. Sie dienten dann bereits dem Essen, Schreiben und Diskutieren in geselliger Runde. Im Mittelalter waren Tische in Europa oft einfache Platten auf Böcken – leicht zerlegbar und transportabel, da Räume multifunktional genutzt wurden. Erst in der Renaissance wurden Tische dauerhafte Möbelstücke, häufig prächtig verziert als Ausdruck von Status und Bildung. Ab dem 17. Jahrhundert entstanden spezialisierte Formen wie Esstische, Schreibtische, Spieltische oder Teetische. Eine Platte, getragen von Beinen – mal drei, mal vier, mal mehr. Diese Einfachheit ist in ihrer Funktionalität bis heute kaum zu übertreffen.

Stehtisch, Klapptisch, Heurigentisch, Vollholztisch, Schreibtisch, Nachttisch, Schultisch – die Liste an heute gebräuchlichen Tischen ließe sich problemlos noch weiter fortsetzen. Das einfache Wort »Tisch« öffnet ein weites Feld an Formen, Materialien, Farben und Standorten. All diese Tische haben in ihrer Unterschiedlichkeit jeweils bestimmte Funktionen – und oftmals bringen sie Menschen zusammen.

Wir versammeln uns zum Mittagessen um den Tisch, verhandeln Verträge am »runden Tisch«, unterzeichnen Urkunden. An Tischen entstehen Ideen, werden Entscheidungen gefällt oder Geschichten geteilt. Ob groß oder klein, rund oder eckig, fest oder klappbar – Tische schaffen Räume: Kommunikationsräume, Arbeitsräume, Lernräume, Kreativräume Denkräume – und sie strukturieren unser Miteinander. Die Anordnung von Tischen bei Feiern als lange Tafeln oder kleine Tischgruppen schafft jeweils eine spezifische Atmosphäre. Stehtische bei Veranstaltungen prägen das Geschehen, sie wirken wie kleine Inseln: Orte für Gespräche in geselliger Runde, die aber auch dazu animieren, von Tisch zu Tisch zu wechseln. Auch in Unternehmen ist die Anordnung von Schreibtischen ein Faktor, der immer mehr an Bedeutung gewinnt. Mittlerweile gibt es ein Verständnis dafür, dass damit eine bestimmte Kultur des Arbeitens transportiert wird und beispielsweise der Kommunikationsfluss erleichtert und die Teamarbeit gefördert wird.

Jede und jeder von uns hat seine ganz eigenen kleinen Tischrituale. Dazu zählt schon das Decken des Tisches vor einer Mahlzeit, das Auflegen eines bestimmten Tischtuchs zu besonderen Anlässen, das Platzieren einer Vase mit frischen Blumen oder das Bereitstellen einer Servierplatte mit Keksen. All das verleiht dem Tisch eine Atmosphäre, die über seine Funktion hinausgeht.

Doch es geht auch anders, wie der Besuch eines besonderen Restaurants zeigte. Als wir an unseren Tisch gebracht wurden, fanden wir dort nämlich gar nichts vor. Keine Kerzen, keine kunstvoll gefalteten Servietten oder frische Blumen, nicht einmal Besteck. Der dunkle Tisch sprach für sich und bot Platz für all die kulinarischen Kunstwerke, die im Lauf des Abends darauf präsentiert werden sollten. Manchmal ist es eben auch der leere Tisch, der eine ganz eigene Kraft entfaltet.

Und Tische sind Speicher von Geschichten. Eine alte Holzplatte trägt die Spuren unzähliger Mahlzeiten, Kerben vom Basteln oder Flecken von verschüttetem Wein. Jede dieser Spuren erzählt vom Leben, das an diesem Tisch stattfand. Manche Tische begleiten uns durch ganze Lebensphasen: der Wickeltisch des Kindes, der Schreibtisch voller Bücher, der kleine Tisch im Pflegezimmer, auf dem nur das Nötigste Platz findet. Tische bleiben – auch wenn sich unser Leben verändert.

Vielleicht ist es genau das, was Tische so besonders macht: Sie sind keine statischen Möbelstücke, keine einfachen Gegenstände, sondern Orte, die Menschen verbinden, Geschichten bewahren und Gemeinschaft ermöglichen. So lädt uns jede Tischplatte – ob im eigenen Wohnzimmer oder beim nächsten Pfarrkaffee – dazu ein, um sie herum zusammenzukommen.

Text: Lisa Funiak
Bild: AdobeStock_56727668