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Sankt Martin reloaded

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St. Martin reloaded - Ich, du, jeder kann St. Martin sein

In der Tradition steht der heilige Martin von Tours für Frieden und Solidarität mit Randgruppen.

 Ein Schlüsselmoment machte ihn weltberühmt: Vor den Toren Armiens zerschnitt er mit dem Schwert seinen Mantel und teilte ihn mit einem Bettler, der ohne ihn erfroren wäre. In der Nacht erschien ihm Christus - in der Gestalt des Bettlers, wie um zu sagen: "Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan."

St. Martin. Ist er heute nur noch eine alte Heiligenfigur? Ein Heiliger, der froh sein kann, dass die Menschen wenigstens einmal im Jahr an ihn denken, wenn sie beim Martinszug die selbstgebastelten Laternen in die Nacht halten? Oder hat dieser Heilige den Menschen im 21. Jahrhundert noch etwas zu sagen? Ja, er hat. Denn, seine Nächstenliebe, seine Barmherzigkeit, seine Haltung, seine Wertvorstellungen und das Teilen sind immer aktuell. Heute vielleicht aktueller denn je. Erfahren Sie, warum Sankt Martin in diesen Zeiten ein Vorbild für die Menschen sein kann. Warum Teilen so wichtig ist, wie es gelingt und welche Rolle es spielt.

Im Interview: David Jans, 35 Jahre alt und stellvertretender Vorsitzender des Vereins foodsharing e.V. Sie setzt sich gegen Lebensmittelverschwendung ein und rettet Essen, das sonst in der Mülltonne landen würde. Ein Gespräch über altes Brot, Obdachlose und Sankt Martin.

Foodsharing und der Heilige St. Martin. Was hat ein Verein, der Lebensmittel rettet mit einem Heiligen gemeinsam?

Das Teilen. Denn teilen, verteilen oder fairteilen sind Themen, die in der Kirche gelebt werden oder gelebt werden sollten. Ich glaube, dass in uns allen ein Sankt Martin steckt, denn Teilen und Helfen schaffen ein positives Gefühl für alle Beteiligten. Wenn wir aufmerksam sind, dann haben wir alle jeden Tag viele Möglichkeiten, unsere Gesellschaft wieder etwas solidarischer und angenehmer zu gestalten.

Sie tun das, indem sie Lebensmittel retten.

Genau, ich persönlich rette ganz viele Lebensmittel bei Bäckereien, meistens relativ spät abends, wenn die Läden zu machen, so gegen 21 oder 22 Uhr. Dann laufe ich mit diesen Backwaren durch die Straßen. Ich weiß, in welchen Straßen viele obdachlose Menschen sitzen, die bedürftig sind und da verteile ich oft die ersten Backwaren, die ich gerettet habe.

Es ist eine Schande, dass Menschen einsam auf der Straße leben und wir mit unseren Ressourcen so verschwenderisch umgehen.

Laut einer Studie des WWF werfen wir in jeder Sekunde 313 kg genießbare Lebensmittel in den Müll.

Das sind drei gefüllte Mülltonnen. Das kann man sich fast nicht vorstellen. Wir produzieren Lebensmittel für 12 Milliarden Menschen. Das würde für alle reichen, aber leider sind die Lebensmittel falsch verteilt. Es gibt trotzdem Menschen, die zu wenig haben. Wir merken auch, dass unsere Foodsharing-Fair-Teiler von bedürftigen Menschen frequentiert werden. Sie wollen sich bei der Tafel nicht in die Schlange stellen, weil es stückweit eine Stigmatisierung ist: Ich muss mich bedürftig zeigen und meinen Ausweis vorzeigen. Und da scheuen sich viele Menschen davor.

Trotzdem steht beim „Foodsharing“ nicht der soziale Aspekt im Vordergrund, wie beispielsweise bei der Tafel. Warum?

Foodsharing ist eigentlich nicht auf die Bedürftigkeit ausgerichtet. Wir haben den Anspruch nachhaltig zu sein und möchten das Thema „Lebensmittelverschwendung" in den Blickpunkt rücken. Es geht uns um die Wertschätzung von Lebensmitteln, darum retten wir sie und geben sie kostenlos weiter.

Was hat Nächstenliebe mit Foodsharing zu tun?

Nächstenliebe bedeutet auch, nachhaltig mit unserer Erde und unseren Ressourcen, und fair mit unseren Mitmenschen umzugehen. Unser Konsum hat Auswirkungen auf andere Menschen. Wenn ich eine Billigbanane kaufe, dann weiß ich ganz sicher, dass dahinter Ausbeutung steckt. Dass dahinter persönliches Leid steckt. Dass Arbeiter auf der Plantage ausgebeutet wurden, für wenig Geld arbeiten und vielleicht viele Pestizide einatmen mussten. Mir muss klar sein: Wenn ich dieses Produkt kaufe, gebe ich eine Stimme ab und unterstütze das System, das dahintersteckt.

Sollten sich Christen aus dieser Motivation einsetzen und engagieren?

Ja, wir alle streben nach einem glücklichen Leben für uns und für unsere Familien. Wir sind darauf bedacht, dass es uns gut geht und dass wir zufrieden sind. Das ist ein Anspruch, den jeder Mensch hat. Aber es gibt Menschen, denen diese Situation nicht gegeben ist. Sie geraten durch unseren Konsum, durch unseren Überfluss, durch unsere Anspruchshaltung in eine Situation, die sie nicht ausgelöst haben.

Wie kann man unsere Kinder aufmerksam auf diese Problematik machen?

Zum Beispiel gerettete Lebensmittel gemeinsam verkochen. Ich überlege mir: Was kann ich von den Lebensmitteln verwerten? Wie kann ich zum Beispiel aus einem alten Brot leckere Knödel zaubern? Oder wie kann ich Lebensmittel haltbar machen, damit sie nicht verderben? Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Kinder können der Samen für Veränderung sein. Wenn Sie einen anderen Umgang mit Lebensmitteln erfahren, wenn sie lernen zu teilen und verantwortungsbewusst zu sein, wenn sie sich begeistern lassen von der Haltung und der Idee Sankt Martins – dann kann sich etwas ändern.

Text aus Pfarrbriefservice.de | erzdioezese-wien.at

Bildquellen:
Holzherz Hände –© giselafotografie, cc0-gemeinfrei, pixabay In: Pfarrbriefservice | David Jans – © foodsharing.de In: pfarrbriefservice

Äpfel – © pexels cc0-gemeinfrei pixabay In: pfarrbriefservice