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»Fürchte dich nicht!«

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Jahr für Jahr hören oder lesen wir zu Weihnachten das Evangelium von der Geburt Jesu Christi und wir lassen uns gerne verzaubern von den wundersamen Geschehnissen im Stall von Bethlehem. Lediglich bei Matthäus und Lukas finden sich unterschiedlich ausführliche Erzählungen, die um dieses Ereignis kreisen und Jesu Geburt beschreiben. Betrachtet man diese biblischen Erzählungen genauer, dann lassen sich unterschiedliche Gewichtungen und Absichten erkennen. Um die soll es uns hier weniger gehen. Wir wollen unseren Blick in diesem Koloman auf einige ausgewählte Figuren in den Kindheitsgeschichten richten, um ihre Weihnachtsbotschaft für uns heute freizulegen. Die Auswahl mag willkürlich sein, spannend ist sie hoffentlich dennoch.

Elisabet, die Mutter des Täufers.
Im ersten Kapitel des Lukasevangeliums (Lk 1,39-56) lesen wir vom Besuch Mariens bei Elisabet. Was ist geschehen? Maria, der der Erzengel Gabriel gerade die Geburt Jesu verheißen hat, besucht ihre Verwandte Elisabet, die auch ein Kind erwartet, obwohl sie sich schon »in vorgerücktem Alter« (V.18) befindet. Die ältere Frau, die unerwartet, nach eigenem Empfinden vielleicht wundersam, ein Kind bekommt, wird zur Adressatin und Gesprächspartnerin der jüngeren, die ebenfalls einer überraschenden, noch wundersameren Geburt entgegenblickt. Wir können uns vorstellen, dass Maria ob der Nachricht Gabriels verunsichert und verängstigt war, wahrscheinlich haben sie auch ihre Sorgen und die Angst vor der gesellschaftlichen Schmach, als Unverheiratete ein Kind zu erwarten, zu Elisabet getrieben. Maria findet Zuflucht bei ihrer Verwandten. Elisabet nimmt sie für drei Monate auf – so lesen wir in der Bibel.

Was mag in dieser Zeit geschehen sein? Wahrscheinlich haben die zwei Frauen in den gemeinsamen Wochen viel miteinander gesprochen, waren sie doch auch in gewissem Sinn Schicksalsgenossinnen, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen. War Elisabet nämlich der Schmach und Verachtung der Gesellschaft und ihren Rollenerwartungen ausgesetzt, weil sie unfruchtbar war und kein Kind gebären konnte, so war Maria gerade aufgrund ihrer Schwangerschaft der Gefahr des Ausgegrenztseins ausgeliefert, weil sie keinen Mann zu diesem Kind hatte. Doch Elisabet konnte ihr wohl als Beispiel dienen, dass der Herr die Dinge zum Guten führt, wenn man ihm nur vertraut und auch »Geduld mit Gott« hat, wie es der tschechische Theologe Tomáš Halík in anderem Zusammenhang ausdrückt. So kann in den drei Monaten Elisabet ihrer jungen Verwandten geradezu von einer Befreiung aus quälender Sorge erzählen, da ihr geduldiges Zutrauen auf Gottes barmherziges Eingreifen in ihrem persönlichen Leben für sie Wirklichkeit geworden ist. Sie wird ein Kind gebären. Aber nicht nur das können wir uns mit Maria von Elisabet abschauen, sondern noch etwas: Um eine solche Befreiung von großen Sorgen erkennen zu können, muss man auch aufmerksam hinsehen, und Elisabet ist achtsam und sieht. Denn bei der Begrüßung der beiden Frauen hätte Elisabet die Bewegung ihres ungeborenen Sohnes in ihrem Leib auch einfach abtun können, aber nein, sie hat es als Zeichen Gottes gesehen und erkannte so mit Maria das künftige Heil. »Halte geduldig und vertrauensvoll die Augen offen, dann wirst du Gottes rettenden Weg sehen.« Vielleicht ist das ein Ratschlag Elisabets an Maria damals.

Josef, der Vater Jesu.
Eine zweite, nicht minder spannende Gestalt ist Josef. Von ihm erfahren wir in den Evangelien eigentlich nicht viel. Wir lesen, er wollte sich in Stille von Maria trennen, da ihr Kind nicht von ihm war, doch ein Traum bewirkt die Einsicht, zu bleiben. Vielleicht mögen Josef Sorgen, Ängste und Enttäuschung verunsichert haben; wer kann es ihm verdenken? Doch er vertraut darauf, dass die in ihm gewachsene Erkenntnis von Gott kommt. So nimmt er die junge Schwangere zur Frau und gibt ihr dadurch Schutz, Heimat und Recht. Dem Kind gibt er so einen Vater. Und auch ein zweites Mal wird Josef achtsam gegenüber der Botschaft Gottes sein, die ihm im Traum der Engel des Herrn überbringt. Auf diese Art von der Bedrohung durch Herodes informiert, packt er seine Lieben und flieht mit ihnen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ins sichere Ägypten.

Josef mag in diesen Erzählungen vielleicht oft träumen, ein Träumer ist er aber offensichtlich nicht. Ganz im Gegenteil, er hat Gott sei Dank einen sehr realistischen Blick auf die Welt, der ihn erkennen lässt, was zu tun ist. Wie bequem wäre es gewesen, sich von Maria zu trennen und sich derart so manches Gerede und vor allem die beschwerliche Flucht zu ersparen. Es wäre aber auch egoistisch gewesen. Doch so ist Josef nicht. Er kommt zur Einsicht – in der wunderbar bildhaften Sprache der Bibel ist das der Engel im Traum –, dass die junge Maria nun einen Mann und das Kind einen Vater braucht, und er erkennt, beide brauchen Schutz. Er wartet nicht darauf, dass Gott handelt und Hilfe bringt, sondern Josef versteht, Gott hat ihm schon längst gesagt, was er selbst tun soll und kann. Zu erkennen, was für die Hilfebedürftigen in seinem Umfeld (also für Maria und Jesus) zu leisten ist, war pragmatisch, mutig, solidarisch, aber vor allem großzügig. Nicht auszudenken, hätte sich Josef egoistisch zurückgelehnt und gesagt: »Was geht mich deren Schicksal an? Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.« Wie gut, dass er selbst tätig geworden ist, denn nur so konnte letztlich Gottes Heilszusage an die Welt (in Jesus) aufrecht bleiben.
»Sei großzügig, damit andere leben können!« Mag uns das der Josef der Weihnachtsgeschichte heute zurufen?

Die Sterndeuter und Herodes
Mit den Sterndeutern und Herodes dem Großen begegnen uns in den biblischen Berichten rund um die Geburt Jesu auch einige »heidnische« Figuren, die in ihrer Reaktion auf die Geburt Jesu unterschiedlicher nicht sein könnten. Auch ihnen wollen wir hier kurz Raum geben. Die Sterndeuter, die Legende hat sie zu den Heiligen Drei Königen gemacht, haben sich an einem weit entfernten Ort aufgemacht, weil sie in einem Himmelsphänomen die Geburt eines neuen großen Königs gesehen haben. Wohl mit viel Ausdauer und Geduld haben sie ihre vertraute Umgebung hinter sich gelassen und sind einem Stern gefolgt. Einen mächtigen König wollten sie finden, doch gekommen sind sie »zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieben sie stehen« (Mt 2,9). Offensichtlich haben sich die Sterndeuter am Beginn ihres Weges etwas ganz anderes erwartet, nämlich ein prächtiges Königskind in einem herrlichen Palast und von Prunk und Reichtum umgeben. Doch trotz all dieser Erwartungen haben sie nicht stur und trotzig darauf beharrt, sondern waren
bereit, sich von einem einfachen Kind in der Krippe in einem ärmlichen Stall überraschen und berühren zu lassen. Die Weisen beschenken es und werden so selbst beschenkt. Sie haben erkannt, das Leben spielt manches Mal anders als geplant. Nur diese Offenheit, die Bereitschaft, das reale Leben anzunehmen, wie es ist, hat ihnen diese Begegnung mit dem menschgewordenen Gott ermöglicht. Nicht so Herodes. Er ist von den Aussagen der Sterndeuter verängstigt, fürchtet um seine Macht und sein angenehmes und reiches Leben. Hinterlistig spielt er im Gespräch mit den Sterndeutern mit gezinkten Karten, horcht sie aus und gibt vor, dem neuen König ebenfalls huldigen zu wollen, nur um dann den Rivalen Jesus auszuschalten. Hinter jeder Ecke sieht er eine Verschwörung. Panisch mauert sich Herodes in seiner Welt ein, und kein Mittel ist ihm fremd, um Macht und Luxus abzusichern. Geradezu krankhaft absurd mutet uns heute sein angeordneter Kindermord in Betlehem an, von dem die Bibel berichtet – zugegebenermaßen aber auch nur die Bibel. Er ist nicht wie die Sterndeuter offen für die durch Jesu Geburt verkörperte neue Realität, sondern er klammert sich egoistisch an das Liebgewordene. Koste es, was es wolle. So wird er zur Negativfolie der drei Weisen aus dem Osten, denn im Vergleich zu ihnen bleibt er blind und kreist rastlos nur um sich selbst. Die Sterndeuter aber können beruhigt wieder heim, denn sie wissen: Wer sich neuen Wegen öffnet, kann Gott begegnen und wird von ihm beschenkt.

Am Ende wollen wir nach der Weihnachtsbotschaft fragen, die diese auf den ersten Blick so unterschiedlichen Figuren verkünden.

Geduldig auf Gott vertrauen – großzügig sein – sich Neuem öffnen.
Vielleicht rufen sie uns heuer gerade diese Worte zu.

Quelle: Koloman | Magazin des Pfarrverbandes Melk - St. Koloman
Text: Raimund Stadlmann
Bild: © AdobeStock_104368412.jpeg