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»Was hat Corona (nicht) mit Gott zu tun?«

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Wir alle kennen das. In konfliktfreien Zeiten, wo wir uns gut verstehen, unsere Beziehungen – ob Ehe/Lebenspartner, Kinder, Eltern, Freunde, Bekannte – harmonisch ablaufen, nehmen wir sie als selbstverständlich an und reflektieren sie kaum. Anders gestalten sich Beziehungen, wenn sie durch Konflikte fragwürdig werden, brüchig. Dann entstehen oft Zweifel an der Liebe, am Wohlwollen des anderen. Ähnlich geht es uns in unserer Gottesbeziehung.

In Zeiten, wo es uns gut geht, haben Menschen oft weniger Probleme an einen Gott zu glauben, der uns liebt und unser Leben begleitet. In Zeiten aber, in denen wir mit den vielfältigen Gesichtern des Leids (Krieg, Hunger, Epidemien, Naturkatastrophen, Krankheiten) konfrontiert werden, fragen wir uns: Wenn es einen liebenden und allmächtigen Gott gibt, wieso lässt er Leid, Krieg, Seuchen zu? Heute konkret: Warum hat er Corona nicht verhindert? Will er uns gar damit bestrafen?
 
Gegen jegliche fundamentalistische Deutung des Leids als Strafe Gottes verwehrt sich die Kirche vehement. Gott ist kein Rächer, sondern er will unser Bestes. Das wissen wir aus der Bibel, deren wichtigste theologische Botschaft doch lautet: Der liebende Gott straft nicht, sondern rettet! Und die Botschaft Jesu ist es, das Leben zu schützen, besonders den Kranken, Leidenden, den Schwachen beizustehen, aufeinander zu achten, wo immer das Leben bedroht ist. Erinnern wir uns: Auch Jesus hat um den Sinn des Leidens gerungen (»Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«), aber es durchgetragen im Vertrauen auf einen ihn liebenden Gott, der ihn auch in schwierigen Stunden nicht allein lässt, sondern mit ihm geht, mit ihm mit-leidet und ihm so vollendetes Leben ermöglicht. Darauf dürfen auch wir hoffen. Auf jeden Karfreitag folgt ein Ostersonntag.

Trotzdem bleibt die quälende Frage: Warum gibt es
überhaupt Leiden?

In seinem Buch »Lässt Gott leiden?« gibt der evangelische Theologe Klaus-Peter Jörns eine gut nachvollziehbare Antwort: Leiden gehört einfach zum geschaffenen Leben dazu. Sie haben damit zu tun, dass die Erde und alles Leben auf ihr sterblich geschaffen sind – damit das Leben nicht vergreist, sondern sich in der fortdauernden Evolution weiter entwickeln kann. Unsterbliches Leben hat es im Kosmos nie gegeben. Für den Glauben ist der Tod das Tor zu neuem Leben, zur weitergehenden Menschwerdung des immer noch unfertigen Menschen. So macht der Glaube fähig, Leiden und leidvolle Abschiede zu verstehen und auch zu ertragen.

Wie lässt sich das Leid aber mit einem liebenden Gott in Einklang bringen?

Diese Frage beantwortet der kath. Theologe Gisbert Greshake in seinem Buch »Warum lässt uns Gottes Liebe leiden?«. Seine Ausgangsthese: Wenn Gott eine Schöpfung will, dann ist damit die Möglichkeit von Leid notwendig mitgegeben. Fragt man nach Grund und Ziel der Schöpfung, geben Schrift und Tradition die Antwort: Die Welt ist von Gott aus Liebe zur Liebe erschaffen. Darum kann die Sinnspitze der Schöpfung nichts anderes sein als Freiheit. Kraft seiner Freiheit kann der Mensch Gottes Liebe annehmen oder ablehnen. Gott will das Böse nicht, aber er lässt es zu, weil er die Freiheit des Menschen ernst nimmt.

Und was ist mit seiner Allmacht?

Kraft derer könnte er doch mächtig eingreifen, denken wir, Leid weg- und eine bessere Welt erschaffen!? Solchen Wünschen liegt ein Missverständnis von der Allmacht Gottes zugrunde, die anders gedacht werden muss. Allmacht bedeutet in der Hl. Schrift nicht, so Greshake, dass Gottes Macht sich gegen alles durchsetzt. »Vielmehr ist Gottes Allmacht die Macht seiner Liebe, welche den Menschen und seiner Welt Raum neben sich gibt und Freiheit gewährt, die Möglichkeiten zum Mitwirken schenkt. Und das bedeutet: Gott, der souveräne Herr über Himmel und Erde bettelt um unsre Liebe, aber der allmächtige Vater ist ohnmächtig, solange wir nicht aus freiem Herzen auf seine zuvorkommende Liebe antworten. Diese Ohnmacht der Liebe empfinden wir heute als Schweigen Gottes oder vielleicht besser als Diskretion Gottes…
Gott nimmt uns ernst, er ist diskret, weil er liebt.« (S.54) Leid ist demnach der Preis der Freiheit, der Preis der Liebe. »Ein Gott, der kraft seiner Allmacht und Güte Leid verhindern würde, müsste Liebe (welche Freiheit voraussetzt) unmöglich machen.« (S.71)

Doch auch für diesen Erklärungsversuch gilt: Letztendlich sind alle gedanklichen Versuche Gott zu rechtfertigen theoretische Konstrukte, die mit einer wichtigen Erkenntnis enden: Leid kann letztendlich nicht zur Gänze erklärt, sondern nur bewältigt werden in der Praxis von Glaube, Hoffnung und Liebe.

Was Leid/Corona sicher nicht ist: eine Strafe Gottes

Was Corona/Leid aber sein kann: sicher ein Kreuz – aber nicht das Ende, vielleicht ein Weckruf zum Umdenken…

Der irische Schriftsteller C.S. Lewis hat es so auf den Punkt gebracht: »Gott flüstert in unseren Freuden, in unseren Schmerzen aber ruft er laut. Sie sind sein Megaphon, eine taube Welt aufzuwecken.«

Text: August Brückler
Bild: ©www.pfarrbriefservice.de_sites_default_files_atoms_image_16756_warum_by_peter_weidemann_pfarrbriefservice_0.jpg