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»Sehnsucht nach Freiheit«

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Freedomʼs just another word for nothinʼ left to lose. Freiheit ist nur ein anderer Begriff für nichts
zu verlieren haben.

Vielleicht kennen einige diese Zeile, die seit den frühen 1970er-Jahren nicht mehr aus dem allgemeinen Liedgut der Popmusik wegzudenken ist. Die Hippie-Ikone Janis Joplin hat damals den von Kris Kristofferson geschriebenen Country Song »Me and Bobby McGee« zu einem Welthit gemacht. Seit damals zählt das Lied fix zu den zahllosen Liedern und Gedichten, die sich mit der Freiheit beschäftigen.

Joplin besingt auf ihre lakonische, aber auch innige und wehmütige Art eine Freiheit, wie sie nicht nur damals von der Jugendbewegung, sondern auch heute immer wieder ersehnt wird. Im Song erfahren wir von einem jungen Paar, das alles hinter sich lässt und sich per Anhalter auf eine Reise quer durch das Land macht. Die Lage mutet romantisch an: Das junge Paar ist ohne Ziel unterwegs, hat keine Verpflichtungen und kennt keine Abhängigkeiten. Die zwei leben in den Tag hinein und verlieren keine Gedanken an das Morgen. Sorgen quälen sie nicht. Das Paar lebt im Moment und muss nicht Rücksicht auf andere nehmen. Ein geregeltes Leben, Besitz oder gar eine berufliche Karriere scheinen für die zwei Freiheitsliebenden so weit weg zu sein wie das Zuhause. Und so können sie im Refrain singen: Freiheit ist nur ein anderer Begriff für »nichts zu verlieren haben«.

Wir müssen zugeben, das klingt verlockend. Kennen wir nicht alle das Bedürfnis, einmal vom geregelten Alltag mit all seinen Verpflichtungen auszubrechen, Beschwerlichkeiten hinter uns zu lassen und einfach einmal ziellos in den Tag hineinleben zu können, ohne an das Morgen und die Konsequenzen zu denken? Wäre es nicht schön, sich einfach fallen lassen zu können und den Moment auszukosten, egal, was andere dazu sagen oder denken? Völlig frei sein… ach, wie traumhaft.

Doch zumeist erwachen wir recht bald aus diesem Traum, da wir uns doch in der Wirklichkeit verstrickt in Beziehungen, Verpflichtungen und Gewohnheiten erkennen, die wir eben nicht so einfach hinter uns lassen können, um eine Reise ohne Ziel anzugehen. Gleiches passiert übrigens auch den zwei Rebellen in »Me and Bobby McGee«, denn auch ihr Traum währt nur kurz. Einer der beiden sehnt sich zu bald nach stabilen Verhältnissen und einem Zuhause.

Die Trennung ist unvermeidlich und der naiv-un-schuldige Traum von völliger Unabhängigkeit und des Um-sich-selbst Kreisens ist zerplatzt. »Me and Bobby BcGee« sind in der Realität angekommen und können nur im Nachhinein diese paradiesisch anmutende Freiheit sehnsüchtig besingen. Ein junges Paar, das den Traum absoluter Freiheit aufgeben muss …. kommt uns das nicht bekannt vor?

Adam und Eva und der Verlust paradiesischer Freiheit Im Alten/Ersten Testament erzählt uns das Buch Genesis vom ersten Menschenpaar, das auch mit dem Problem der Freiheit konfrontiert wird: Adam und Eva. Wir lesen in der biblischen Geschichte von den beiden, die Gott in den Paradies-Garten setzt. Es ist ein Ort der sorgenfreien Harmonie und überbordenden Fülle, dort ließ Gott »allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und köstlich zu essen, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse« (Gen 2,9). Diesen Garten solle der Mensch nun bebauen und hüten, ihn gestaltend nutzen. Der göttliche Auftrag, alle Tiere auch mit einem Namen zu versehen, zeigt die große Mitverantwortung, die ihm übertragen worden ist. Doch Gott hat bei all dem noch eine Bedingung für die Menschen in seinem Paradiesesgarten: Alles stünde zur Verfügung, »doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du sterben« (Gen 2,17).

Natürlich kennen wir die Geschichte von Adam und Eva nur zu gut, aber selbst wenn wir sie zum ersten Mal lesen, ist uns an diesem Punkt klar, die Sache hat einen Haken. Denn mit dieser Anweisung Gottes ist zugleich der Keim des Zweifels in den Menschen gesetzt, der es dem biblischen Urpaar unmöglich macht, in der Unschuld und Harmonie des Gartens Eden zu bleiben. Alles wäre für Adam und Eva bereitet gewesen, sie hätten ein sorgenfreies Leben in Fülle haben können, alles Geschaffene – die Tiere und Menschen – hätten in friedlicher Idylle zusammengelebt. Angst, Krankheit, ja sogar den Tod hätte es in diesem Paradies nicht gegeben. Wie kann man das nur aufs Spiel setzen? Beim Griff zum Apfel würden wir als Leserin und Leser Adam und Eva am liebsten laut zurufen: »Finger weg! Riskiert nicht euer traumhaftes Paradies!«

Das Paradies – der Ort völliger Freiheit – währt nur kurz. Das Versprechen der Schlange ist zu verlockend. »Gott ist’s bekannt, dass am Tage, da ihr davon esset, eure Augen sich klären und ihr werdet wie Gott, erkennend Gut und Böse.« (Gen 3,5) Wir machen es kurz: Adam und Eva essen vom verbotenen Baum, Gott findet es heraus und die beiden Übeltäter fliegen aus dem Paradies. Alles scheint verloren. Die zwei führen ab nun ein Leben in Mühsal, müssen sich alles selbst erarbeiten und sind zudem sterblich. Das Paradies währt ewig, das Leben nicht. Adam und Eva sind in der Wirklichkeit angekommen.

Mensch-Sein und verdammte Freiheit

So tragisch der Sündenfall, der Rauswurf aus dem Paradies, auch erscheinen mag, so sehr ist diese Geschichte eine Erzählung von der eigentlichen Menschwerdung und dem Mensch-Sein, denn es wird die Frage verhandelt, was es heißt, ein Mensch in Freiheit zu sein. Diese Frage beschäftigt uns von Anfang an und rührt an unser innerstes Wesen, denn immer wieder sind wir damit konfrontiert, frei zu handeln, frei zu denken, Freiheit zu geben und Freiheit zu schützen. Wir können die ganze biblische Urgeschichte (Genesis 1-11) von der Erschaffung der Welt bis zum Turmbau zu Babel als Freiheitsgeschichte lesen, denn durchgängig stellt sie den Menschen in seinen vielfältigen Beziehungen zum Mitmenschen, zur Mitschöpfung ins Zentrum. Es geht darin stets um den Menschen als Wesen der Freiheit. Vielleicht lässt uns aber keine Geschichte so klar erkennen, was Freiheit heißt, wie eben jene von Adam und Eva. Vielleicht mussten sie ja vom Baum der Erkenntnis essen, das Paradies verlieren, um vollends Mensch zu werden. Sie mussten den idealen und traumhaften Zustand verlieren, um zu sich selbst zu kommen. Zu glauben, wir Menschen könnten ein Leben in völlig unschuldiger Freiheit führen, ist schlichtweg naiv. Das ist der Zustand Adams und Evas vor dem Sündenfall, mit der menschlichen Wirklichkeit hat das nichts zu tun, wie auch sie beim Essen der verbotenen Frucht erfuhren: »Die Augen klärten sich ihnen beiden, und sie erkannten.« (Gen 3,7)
Worin bestand ihre Aufklärung?

Adam und Eva, wir Menschen, sind zur Freiheit bestimmt, vielleicht verdammt. Für uns gibt es die idyllische Freiheit ohne Verpflichtung nicht, die nur auf sich selbst schauen muss und eine bloße Freiheit von etwas ist. Wir sind in Beziehungen und somit in Verpflichtungen, müssen tagtäglich Entscheidungen in unserem Leben treffen. In dieser Freiheit zu etwas erfahren wir uns auch immer als fehlbar, wir können falsch entscheiden und uns dadurch von Mitmenschen, aber auch von Gott absondern. Freiheit ist also immer auch bedroht, es gibt sie nicht um ihrer selbst willen, sondern nur um unser aller willen. Sie verlangt Rücksichtnahme. Wir müssen auch manches Mal auf eigene Freiheiten verzichten, damit andere in Freiheit leben können. Sein Leben frei zu gestalten, ist also alles andere als das naive Leben in den Moment hinein, nur sich selbst gegenüber verantwortlich zu sein und zu machen, was man will. Wenn wir uns also gerade heute nach mehr Freiheit und Wiedererlangung von Freiheit sehnen, dann sollten wir das nicht mit einem naiv-romantischen Urzustand verwechseln, den es tatsächlich nie gegeben hat. Eine solche bedingungslose Freiheit kannte nicht einmal der Garten Eden. Wer um diese Spannung von Paradies und Welt weiß, dem haben sich wie Adam und Eva die »Augen geklärt«. Der hat den unschuldig naiven Urzustand verlassen und ist im wirklichen Leben angekommen, ist Mensch in Freiheit.

Das Paradies als Ort bedingungsloser Freiheit kann trotzdem motivierender, kraftgebender Sehnsuchtsort sein, unsere Wirklichkeit aber ist er nicht. Das musste das Paar aus »Me and Bobby McGee« genauso erfahren wie Adam und Eva. Doch Lied wie Bibel sind an diesem Punkt nicht zu Ende, sie dauern noch lange an.

Wir sind in Wirklichkeit frei!

Diese Erkenntnis soll uns durch die kommende Osterzeit begleiten.

Bild: © AdobeStock_170544398.jpeg
Text: Raimund Stadlmann