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Seit Ende Februar ergießt sich ein immenser Flüchtlingsstrom über die östlich gelegenen Staaten Europas (Schätzungen der UNHCR gehen von mindestens 5,7 Millionen aus), hervorgerufen durch den Überfall Russlands auf die Ukraine. Es ist bereits die dritte große Flüchtlingsbewegung im 21. Jahrhundert, die auch Vertriebene zu uns nach Österreich bringt. Oft überstürzt, in Todesangst, weil sie um ihr Leben fürchten, verlassen Menschen aus Furcht vor katastrophalen Situationen, unzumutbaren Bedrohungen und existenziellen Gefahren ihr Zuhause, ihre Stadt, ihr Land und hoffen, bei uns einen sicheren, geschützten Zufluchtsort zu erreichen. Fast alles haben sie zurückgelassen, die Familien zerrissen, meist kommen nur Frauen mit Kindern, nun stehen sie in einem fremden, wenn auch sicheren Land vor dem Nichts und brauchen dringend Hilfe.

Diese kommt für die Bedürftigen von vielen Seiten her. Es helfen die EU, die Republik, das Land (»Niederösterreich hilft«), aber die konkreteste Hilfe benötigen sie dort, wo sie untergekommen sind, wo sie ihr alltägliches Leben bewältigen sollen, von jenen Menschen, mit denen sie nun zusammenleben müssen, meist mit keinen oder geringen Sprachkenntnissen. So kommt auch bei uns eine solche Unterstützung durch das Zusammenwirken von nationalen Behörden, Hilfsorganisationen, Aufnahmegemeinschaften, Vereinen, lokalen Institutionen und Einrichtungen und einer großen Zahl an Freiwilligen zustande. Der Staat garantiert jenen, die bei uns eingereist sind, zunächst einmal die international festgelegten Rechte auf Aufenthalt (Art. 14 | Menschenrechte) und auf subsidiären Schutz (Genfer Flüchtlingskonvention, Asylgesetz 2005), die sie auch sofort erhalten haben, zum Beispiel ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht bis Anfang März 2023. In unserem Bezirk sind derzeit (Stand 27. April) 357 Flüchtlinge in Privatquartieren untergebracht. Es sind aber einige mehr, die in anderen Quartieren untergebracht sind, in der Stadt selbst sind es 78. Begonnen hat es mit 2 Bussen, die auf Grund der Privatinitiative eines Mitgliedes vom Verein »Holen wir sie raus« die ersten Flüchtlinge zu uns brachten.

Die Stadt unter Führung von Bürgermeister, der zuständigen Stadträtin für Integration und Ehrenamt und dem stellvertretenden Stadtamtsdirektor sowie weiteren Stadt- und Gemeinderäten unter Mitwirkung einer überparteilichen Gruppe von Freiwilligen, bildete den Krisenstab »Melk hilft«. Ziel war es, eine schlagkräftige Stelle für den ersten Anlauf zu schaffen, die rasch reagieren und an sie herangetragene Probleme lösen kann, wie eine erste Unterbringung, in weiterer Folge die rasche Integration und Bewältigung des Alltags. Die nach einem Spendenaufruf des Vereins »Begegnung HEUTE in Melk« eingegangenen Gelder werden für eine erste Überbrückung bereitgestellt, bis die Grundversorgung des Bundes greift. Der Stadtsaal wurde von der Gemeinde zur Verfügung gestellt und mit Hilfe der MEKIV, des Wirtschaftshofes, der Feuerwehr (mit zusätzlich 10 Unterbringungen), des Roten Kreuzes und des Bundesheeres mit Notbetten für die erste Unterbringung ausgestattet, bis die notwendigen Quartiere aufgetrieben wurden. 36 ukrainische Waisenkinder mit ihren 17 Betreuungspersonen konnten so auf ihrer Durchreise nach Innsbruck dort für eine Nacht Unterkunft finden.

Da auf der einen Seite die Bandbreite der Bedürfnisse sehr groß und die erforderliche humanitäre Hilfe sehr unterschiedlich benötigt wird, auf der anderen Seite die in Frage kommenden Möglichkeiten sehr divergierend sind, kommt es darauf an, Nachfrage und Angebot effektiv abzustimmen, diese grundlegenden Informationen leicht zugänglich zu machen und die richtigen Personen zusammenzuführen. Daher hat die Gemeinde ein 30-seitiges Skript erstellt, das all diese nützlichen Hinweise, Mitteilungen und Unterlagen für betreuende Personen enthält. Aber nicht nur Gemeinde und Privatpersonen stellten Flüchtlingen freien Wohnraum zur Verfügung, sondern auch Gemeinschaften und Vereine beteiligen sich an Hilfsaktionen für diese neuen Bewohner unserer Stadt. Wie bereits in den StitfsNEWS von Abt Georg erwähnt, haben die Patres des Stiftes ihre Hilfe selbst initiiert und organisiert und das Gästehaus zur Verfügung gestellt. Will das Stift in dieser Zeit nun bereits länger avisierte Gästegruppen unterbringen, gibt es eine erwähnenswerte und sehr gute Kooperation mit dem Team des Wachauerhofes, das zum selben günstigen Preis, den das Stift verlangt, Nächtigung und Frühstück übernimmt.

Auch im Pfarrhof wurden – wie im Eingangsartikel bereits ausgeführt – die ehemalige Pfarrer- sowie Kaplanswohnung von den Mitgliedern des Pfarrgemeinderates in kürzester Zeit und in vielen freiwilligen Arbeitsstunden renoviert. Eine Anzahl von Firmen hat dieses Projekt großzügig unterstützt unter tatkräftiger Mithilfe der Saniob-Gruppe und dem stiftlichen Bauamt. Somit zeigt die Durchführung dieses Projektes eine funktionierende Kooperation zwischen Pfarre, Stift, Stadt, Wirtschaft, Caritas und Freiwillige für Menschen in Not. Unter dem Motto »Integration durch Konversation« wurden, wie schon bei den vorherigen Flüchtlingswellen, vom Verein »Begegnung HEUTE in Melk« Deutschkurse eingerichtet und für alle angeboten, gleich wo sie untergebracht sind und von wem sie betreut werden. Mit Hilfe der Spendengelder sind nun in den Räumlichkeiten des mc2 drei parallellaufende Deutschkurse eröffnet worden. 47 Ukrainer*innen besuchen diese Sprachkurse, unterrichtet von ehrenamtlichen und darin bereits erfahrenen Pädagog*innen, die Unterrichtsmaterialien dafür stellt der Verein kostenlos zur Verfügung. Dort ist auch vorläufig wieder das bereits bekannte Konversationscafé – immer freitags von 9 bis 12 Uhr – eröffnet worden mit dem Ziel, einen zwanglosen Austausch von Unterrichtenden und Schüler*innen herbeizuführen. Dieser Verein »Melk hilft« bemüht sich, allen hier lebenden Flüchtlingen eine persönliche Betreuung zukommen zu lassen, um Behördenwege zu erleichtern und die Begleitung bei medizinischer Versorgung sicherzustellen, damit diese Menschen möglichst schnell wieder eine Eigenständigkeit über ihr Leben erreichen.

Um all das zu ermöglichen, haben andere ortsansässige Vereinigungen, wie Soroptimistinnen, Rotarier und Lions, Aktionen durchgeführt, Spendenaufrufe gestartet und das hereingekommene Geld den Betreuungseinrichtungen für dringende Anschaffungen übergeben. Ebenso beteiligte sich die Melker Wirtschaft, vor allem Geschäfte aus dem Lebensmittelhandel, mit namhaften Beträgen in Form von Gutscheinen daran. Nicht vergessen darf man jene Unterstützungen, die die Familien für ihre Kinder benötigen, wobei hier vor allem die Betreuung in den städtischen Pflichtschulen gefragt ist. 13 ukrainische Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren werden nun in die neue Unterrichtssprache eingeführt, was insofern ein Problem darstellt, weil es dafür kaum Ressourcen gibt. So haben es die beiden Schulleitungen zuwege gebracht, durch Umschichtungen von Stunden Deutschkurse einzurichten, wobei die Schüler*innen stundenweise aus dem Unterricht herausgelöst werden. Zusätzlich können diese Kinder über Leihgeräte am Online-Unterricht in der Ukraine teilnehmen.

Am Stiftsgymnasium haben Schulleitung und Lehrkräfte für 6 ukrainische Jugendliche (11 bis 15 Jahre) freiwillig Basisdeutschkurse organisiert und unterrichten im Ausmaß von 8 Wochenstunden. Den Schüler*innen wurden von Schulseite Laptops zur Verfügung gestellt, damit diese mit ihrer Heimatschule in Verbindung treten können, da von der ukrainischen Schulverwaltung versucht wird, diesen Kindern einen normalen curricularen Abschluss zu ermöglichen. Zu all dem haben sich viele Schüler*innen des STG an dem gemeinsamen Vorhaben der katholischen Schulen Österreichs »LAUF erstehen – run4ukraine« ebenfalls mit großem Eifer beteiligt. Pro gelaufenem Kilometer sollte ein kleiner, frei gewählter Beitrag gespendet werden, der auch von Eltern, Großeltern, Verwandten oder Paten aufgebracht werden konnte. So kamen nach 4300 absolvierten Kilometern 5.230 € zusammen.

Der kurzgefasste Überblick zeigt, dass durch Kooperation und solidarisches Handeln diesen Menschen geholfen werden kann, dass in einer solch schwierigen Situation mit Zusammenarbeit professioneller und freiwilliger Helferinnen effektive Maßnahmen wie Schutz, Rat, Förderung und Zuwendung möglich sind. Dieses gemeinsame Handeln wird noch längere Zeit notwendig sein!

Text: Gottfried Müllschitzky
Bild: © Anna Faltner