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»Augenblicke - in unseren Kirchen«

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Wenn wir uns in diesem Text einen Augenblick Zeit für einige Kirchen und Kapellen unseres Pfarrverbandes nehmen, dann fällt beim vergleichenden Besuch auf, wie unterschiedlich diese ausgestaltet sind, denn die Bandbreite reicht vom hochbarocken Meisterwerk hin zum modernisierten Kirchenbau mit relativ reduzierter Ausgestaltung. Dennoch bietet sich für unser Thema einiges zur Betrachtung an.

Die Filialkirche in Maierhöfen ist, was ihren Innenraum angeht, sicher etwas unbekannter in unserem Pfarrverband. Sie ist dem hl. Nikolaus geweiht und dieser ist auch in einem großen Altarbild dargestellt. Wir erkennen am Bild einen recht freundlich und milde blickenden Bischof. In seinen Händen hält er den Bischofsstab als Zeichen für seine kirchliche Autorität und ein Buch (Symbol für Weisheit). Darauf ruhen drei goldene Äpfel, die der Legende nach drei jungen Frauen den Gang in die Sklaverei erspart haben. Man könnte sagen, aus diesen Händen geht Macht und Liebe hervor. Ähnlich wird Nikolaus in einem Fenster in Zelking, recht umfangreich in einem Seitenaltar des Stiftes portraitiert, wobei die Hände hier auffallend aktiver sind. Betrachten wir diese Bilder bzw. Reliefe genauer, dann erkennen wir Augenblicke der Hingabe, des Segnens und der rettenden Hilfe.
Zwei Stockwerke höher und einige Jahrhunderte jünger finden wir in der Benediktuskapelle des Stiftes ein modernes Kreuz, bei dem uns ebenfalls die Hände und deren Haltung interessieren. Jesu rechte Hand ist nämlich vom Querbalken gelöst und er reicht sie gleichsam uns Gläubigen, die sich darunter zum Gebet versammeln. Noch stärker zeigt sich diese Hingabe und Einladung, die von Jesu Händen ausgeht, in der Pfarrkirche Matzleinsdorf, steht dort im Altarraum doch ein sehr ähnliches zeitgenössisches Kruzifix. Hier streckt uns ein auffallend freundlich blickender Jesus beide Hände geöffnet entgegen, wodurch seine Einladung, seine Hingabe noch viel dringlicher auf uns wirken. Es scheint, als würde uns Jesus in diesem Moment vom Kreuz herunter umarmen wollen. Die beginnende Umarmung – welch schönes Bild für die Auferstehung aus der Dunkelheit des Kreuzes! 
Was in diesen entgegengereichten Händen ausgedrückt ist, verlangt aber im gleichen Augenblick meine persönliche Entscheidung: Ergreife ich diese Hände? Bin ich bereit, mich von der Botschaft berühren zu lassen? Öffne auch ich meine Hand für andere, um ihnen Hilfe, Segen und Geschenk zu sein? Vielleicht sind das Fragen, die uns die Handhaltungen von Nikolaus und Jesus hier in den Augenblicken der Betrachtung stellen.

Interessant sind sicherlich auch die Kreuzwegbilder in unseren Kirchen, sind sie doch Abbildungen von eindrucksvollen Momenten. Wir sehen die 6. Station, wo Veronika in ihren Händen das Schweißtuch hält und es Jesus zu Linderung reichen möchte. Wir wollen hier aber einen anderen Augenblick beachten: die Kreuzigung. Die Hände Jesu sind verkrampft und schmerzverzerrt, als die Nägel in seine Glieder getrieben werden. Wir können diese Szene auf den Kreuzwegbildern in unseren Kirchen gut erkennen und sie erschüttern uns. Noch dramatischer wird der Eindruck, wenn ich in Matzleinsdorf erkenne, wie die Henker die Nägel sorgfältig aussuchen, die noch dazu im Korb mitten am Kreuz bereitstehen. Diese Hände haben hier nichts Einladendes oder Freundliches und jeder Geschenk-Gestus ist ihnen fremd. Ganz anders als bei unseren oben genannten Darstellungen stehen sie für Schmerz, Brutalität und dafür, was Menschen anderen Menschen antun können. Und wieder sind wir in diesem Augenblick ertappt und müssen uns fragen: Wer wäre ich in der Szenerie des Kreuzweges gewesen? Würde ich das Schweißtuch reichen … oder doch den Nagel?
Diese für unser Leben typische Spannung kann auch in einer Teil-Darstellung im Hochaltar der Pfarrkirche Melk gefunden werden. Jesus sitzt mit den Aposteln beim letzten Abendmahl und spricht die Segensworte über Brot und Wein. Während die einen ergriffen bzw. gläubig die Hände falten oder zur Brust schlagen, hält der andere bereits plakativ den Sack mit den dreißig Silberlingen zum Verrat in seiner Hand. Eindrucksvoll, wie der Künstler hier unsere Grundentscheidung des Glaubens, nämlich die Frage, wie wir zu Jesus stehen, in einem Augenblick vereint hat.

Zum Schluss geben wir noch zwei Darstellungen in der Kirche Zelking Raum. Zwei große (Altar-)Bilder zeigen den Moment, in dem der hl. Erhard den Kranken erscheint. Auch hier wollen wir auf die Gestik der Hände blicken, müssen uns doch beide Male die nach Heil flehenden Hände auffallen, die nicht nur von den Kranken zum Himmel gerichtet werden, sondern auch von den Menschen um sie herum. Sind in diesen Gemälden nicht auch Augenblicke ausgedrückt, die wir selbst kennen, wenn wir krank sind oder Schmerzen haben und um Heilung bitten? Oder haben wir in unserer Familie oder im Freundeskreis Kranke, mit denen wir bloß sprachlos mitleiden können und wo uns nur mehr der hoffnungsvolle Blick zum Himmel bleibt? Oder wagen wir gar nicht mehr nach oben zu blicken?

Nur wenige Darstellungen aus unseren Kirchen konnten hier angesprochen werden. Die Auswahl ist willkürlich und spontan, ihre Interpretation subjektiv und bruchstückhaft. Vielleicht können diese Zeilen aber eine Anregung sein, unsere Kirchen neu zu entdecken und ihre Darstellungen für sich persönlich fruchtbar zu machen, beschreiben sie doch alle auch Grundmomente und besondere Augenblicke unseres (Glaubens-)Lebens. Wie dieses auch gelingen kann, legen uns übrigens fünf Fresken an der Stirnseite der öffentlich zugänglichen Melker Krankenhauskapelle nahe.

Neugierig geworden? Ein Besuch lohnt sich. Nehmen Sie sich ruhig einen Augenblick!

Text: Raimund Stadlmann