Folgen Sie uns!

Auf Gott warten

Sie sind hier:

»Wer ist diese Hanna?«

Mit dem ersten Adventsonntag beginnt für uns die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest.
Äußerlich schmücken viele die Wohnungen und Häuser, und auch innerlich stellen wir uns auf das Weihnachtsfest ein.

Gerne beklagen wir dabei, dass es oft der adventliche Trubel gar nicht zulasse, in Weihnachtsstimmung zu kommen. Und haben wir die vielen Vorbereitungsarbeiten,
das Geschenkekaufen, das Putzen und Backen zeitgerecht erledigt, steht schon der Heilige Abend vor der Tür. Während die Kinder schon wochenlang
ungeduldig wartend dem 24. Dezember entgegenfiebern, werden wir von den Festtagen regelrecht überrascht.

Für uns hat zu warten keinen Platz – warten ist nichts für Eilige. Haben wir gar das Warten verlernt?
Warum tun wir uns damit so schwer?
Vielleicht liegt das daran, weil in unserer modernen und hektischen Zeit das Warten unpopulär geworden ist. Alles muss schnell gehen und sofort zuhanden
sein. Jede Information ist in Windeseile über das Internet verfügbar, ich muss nicht warten, bis mir selbst eine Antwort einfällt oder ich jemanden fragen
kann. Den Einkauf erledige ich per Mausklick, sobald mich die Lust dazu befällt, und ich muss nicht ausharren, bis die Geschäfte wieder offen sind oder ich
für eine Einkaufstour Zeit habe. Außerdem erspare ich mir das lästige Warten an der Kassenschlange. Zu einer modernen Form der Telefonzelle scheinen die
Warteräume bei Ärzten etc. geworden zu sein; von Warten keine Spur, alle tippen und wischen auf ihren Smartphones herum und vertreiben sich die Zeit.
Auf Bahnhöfen, in Zügen und Bussen das gleiche Bild. Wir warten nicht, wir vertreiben uns irgendwie die Zeit.

Ist der Advent die Zeit des Wartens auf die Geburt Gottes, dann ist damit aber nicht gemeint, diese Wochen durch Zerstreuung, Arbeit oder hektisches Treiben anzufüllen.
Nein, vielmehr soll unser Warten ein aktives und bewusstes Tun sein, das ganz vom Gegenteil geprägt ist.
Der Advent ist dann ein religiöser Warteraum, in dem wir uns bewusst aus dem Alltagstreiben herausnehmen können und einige Momente nichts anderes tun, als der Geburt Jesu
entgegenzugehen.
Leichter gesagt als getan?

In der Weihnachtszeit begegnet uns eine biblische Figur, die uns ein Vorbild für ein derartiges Warten sein
kann: die Prophetin Hanna.

Nur in wenigen Versen erzählt das zweite Kapitel des Lukasevangeliums von der interessanten Frau, die uns in der Liturgie erst zum Abschluss des Weihnachtsfestkreises, nämlich
zur » Darstellung des Herrn « (früher » Mariä Lichtmess «), begegnet.
Wer ist diese Hanna?
Als Maria und Josef den religiösen Gesetzen ihrer Zeit gehorchend vierzig Tage nach der Geburt Jesus im Tempel in Jerusalem opfern, ist sie eine von zweien, die
in dem Säugling den Messias erkennen. Der erste ist der greise Simeon, der den Jungen im Arm hält, ihn preist und in ihm ein Zeichen für das Volk Israel
sieht. Sein Lobgesang ist zum kirchlichen Abendgebet »Nunc dimittis« geworden. Viel leiser und unscheinbarer wird Hanna dargestellt.
Der Evangelist berichtet von ihr, dass sie in jungen Jahren nach siebenjähriger Ehe ihren Mann verloren und sich danach ihr restliches Leben im Tempel aufgehalten
habe. Dort diente sie Gott mit Fasten und Gebet. Wahrscheinlich hatte der Aufenthalt der 84-jährigen Hanna im Tempel aber nicht nur religiöse Gründe,
denn als einsame Frau ohne Familie stand sie schutzlos am Rande der Gesellschaft. Wallfahrer, Gläubige und Priester im Tempelbezirk haben ihr so aber ein
Überleben gesichert. Und diese alte Frau, die jahrzehntelang Gott gedient hat und nach jüdischem Glauben auf den Messias wartet, sieht ebendiesen
Retter in dem 40 Tage alten Jesus. Ihr Warten ist so zu einem Ziel gekommen. Wie können wir uns dieses lange Warten der Hanna vorstellen?

»Die Strottern«, ein musikalisches Duo, das das Wienerlied neu interpretiert, hat im Lied »waunsd woadsd« dieses Warten der Hanna eindrucksvoll
beschrieben und gleichzeitig eine schöne und kluge Interpretation davon geschaffen, was »Warten auf den Herrn« heißt. (Inspiration dafür war das Rembrandt-
Gemälde oben.) Im Refrain des Liedes wird das Warten der Hanna nicht als etwas Romantisches verklärt, vielmehr zeigt es sich als etwas
Anstrengendes und Herausforderndes. Beim Warten dürfe man – so Hanna – nämlich nicht schwächeln und es helfe auch kein Klagen. Nütze man aber das
Warten als eine Zeit zum Denken und Schauen, ist es getragen von Hoffnung und Gottvertrauen, dann könne es einen Raum für die Gottesbegegnung eröffnen.
Man müsse halt wartend seine Hand nach ihm ausstrecken.
Dass dies bei der Prophetin im Lukasevangelium bis ins hohe Alter gedauert hat, zeigt, dass ein solches Warten wahrlich nichts für Schwächlinge ist. Auch sie
musste sich ihm geduldig aussetzen und die lange Zeit ertragen. Am Ende des Liedes wird Hanna aber beseelt von der Begegnung mit Jesus sagen/singen,
ihr Herz habe nun mehr verstanden als ihr Hirn. Lange habe sie auf ein Wunder gewartet, bekommen hätte sie aber Gottvertrauen.

Vielleicht ist das die Botschaft Hannas für uns zu Weihnachten. Wenn es uns gelingt, »Warteräume« in unserem Leben zuzulassen, dann haben wir die
Möglichkeit, Gott zu begegnen. Hannas Schicksal zeigt uns, das braucht Kraft, Zeit und Geduld – und es gibt keine Garantie auf Erfolg. Hanna hat bis ins
hohe Alter durch ihr Fasten, Beten und Tun ihren Warteraum auf die erhoffte Begegnung mit Gott hin offengelassen. Sonntag für Sonntag und aktuell auf
vielfache Weise im Advent bieten sich für die Begegnung mit Gott auch uns solche Warteräume an. Wollen wir warten?

© AdobeStock_217781043.jpeg
© stock.© https:/a/daortbuek.c.oormg/, s2h2o4p24/c14u7s7tomers/guest-downloads.html? | 5594_SHEF_MSH_VIS_1529.tif