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»Das Kreuz - Symbol unserer Hoffnung«

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Das Kreuz nimmt im Christentum eine besondere Stellung ein. Es ist unser zentrales Symbol für das wichtigste Geschehen unseres Glaubens, denn es steht für den Tod und die Auferstehung Jesu. Auch die grundsätzliche Einfachheit des Symbols – zwei sich kreuzende Balken – erklärt wohl den »Erfolg«. Doch dass es dazu gekommen ist, war kein Automatismus. In der Antike ist das Skandalöse des Kreuzestodes Jesu, der als Verbrecher hingerichtet worden ist, noch derart präsent, weswegen die frühen Christen auf andere Symbole (Fisch, Christusmonogramm) zurückgreifen. Die erste uns bekannte Kreuzesdarstellung ist daher ausgerechnet eine Verhöhnung, eine Wandkritzelei auf dem römischen Palatin, die einen Gekreuzigten mit Eselskopf zeigt und regelrecht spottet: »Euer Gott muss ein Esel sein, wenn er sich kreuzigen lässt.«

Als im frühen vierten Jahrhundert das Christentum im römischen Reich anerkannt und die Kreuzigung als Hinrichtungsmethode abgeschafft wird, setzt sich auch das Kreuz als zentrales Symbol des Christentums durch, und das wird es bis heute bleiben. Die Darstellungen wandeln sich aber erheblich. Anfangs kommt das Kreuz ohne Jesus aus, oder er wird daneben stehend und als starker Weltenherrscher gezeigt. Diese Souveränität und Stärke ändern sich auch nicht, als im Mittelalter Jesus erstmal am Kreuz dargestellt wird. Der gleichsam schwebende Gekreuzigte bleibt aber weiter der Triumphator über den Tod, dem die Marter der Hinrichtung nichts anhaben kann. Scheinbar emotionslos und über alles erhaben blickt Jesus vom Kreuz auf die gläubigen Betrachter hinab. Das Gerokreuz im Kölner Dom gehört zu den ersten Darstellungen der Romanik, die Jesus schon menschlichere Züge verleihen und ihm ein Leiden angedeihen lassen.

Diese Dimension verstärkt sich in der Gotik (ca. 1250- 1500). Nun legen die Künstler ihren Focus auf die Schmerzen und Qualen. Nicht mehr der souveräne Gott-König wird dargestellt, sondern der leidende Mensch, die geschundene Kreatur, die allen Schmerz für unsere Sünden ertragen hat. Der ausgemergelte, hängende Körper, die von der Geisel aufgerissene Haut, der blutige Leib, die aufklaffenden Wundmale und das kraftlose Haupt verlangen unser ganzes Mitgefühl. Hier steht nun Jesus, der Mensch, im Mittelpunkt. Ein schönes Beispiel dafür findet sich am Flügelaltar des Jörg Breu (1502) im Stift Melk, ein Höhepunkt ist aber wohl der weltberühmte Isenheimer Altar des Matthias Grünewald im deutschen Unterlinden.

Den Kampf mit dem Tod betonen auch die Barock-Künstler, im Zentrum ist aber Jesu Triumph über den Tod. Eine beeindruckende Version kennen die meisten von uns aus Mariazell. Am Hochaltar des Johann Fischer von Erlach ist das Kruzifix in eine prunkvolle Trinitätsszene eingebettet. Gott Vater reicht darin dem Gekreuzigten von oben herab die Hand, er berührt ihn schon, als würde er ihn vom Holz lösen. Als Pilger unter dem Kreuz erleben wir die Erhöhung Jesu regelrecht mit, wir sind staunende Zeugen der Himmelfahrt des Siegers, die schon am Kreuz beginnt. Nicht nur die Säkularisierung im Zuge der französischen Revolution von 1789, sondern vor allem die Industrialisierung im 19. Jhdt. führen zu fundamentalen Krisen in Europa: Landflucht, Bevölkerungswachstum, Verarmung breiter Massen in den Städten. Auch die bis dahin gültigen Glaubensstrukturen werden erschüttert und der Autoritätsverlust der Kirche beginnt. Die Moderne, in der die Religionen nun nicht mehr das Monopol auf Welterklärung haben, erscheint am Horizont. Das hat auch Folgen für die Kreuzesdarstellungen.

Nun ist es nicht mehr die Kirche selbst, die als Auftraggeberin bestimmt, sondern die Künstlerin setzt sich aus persönlichem Antrieb mit dem Kruzifix auseinander. So löst sich das Kreuz allmählich aus dem engeren christlichen Kontext und wird auch in ganz neue Zusammenhänge gestellt. Diese vielfältigen und besonderen Darstellungen eröffnen so einen breiten Raum für ganz neue Interpretationen und bereichernde, vielleicht auch irritierende Zugänge. Berühmt geworden ist etwa »Der rote Christus« des Expressionisten Lovis Corinth (1922), der die persönlich miese Lebenssituation des Künstlers verkörpert und gleichzeitig die große Depression der Zeit. Aufsehenerregend ist auch Salvador Dalis »Der Christus des heiligen Johannes vom Kreuz« (1951) aufgrund der ungewöhnlichen Vogelperspektive. Wir blicken von oben auf Jesus und einen See mit Fischern. Dali bezieht sich auf eine Zeichnung des Mystikers Johannes vom Kreuz und eröffnet damit auch uns einen neuen Blick.

In Österreich denken wir etwa an die vielen Kreuz-Bilder von Arnulf Rainer, der sich seit den 1980ern intensiv damit auseinandergesetzt hat. Rainer geht beim Kreuz über die religiöse Deutung hinaus und macht es zu einem grundsätzlichen Symbol des Menschen für »Leid, Endlichkeit und Hoffnung« und erweitert dadurch den Adressatenkreis der Kreuzes-Botschaft. Auf die grandiose Jesus-Uhr (»Your personal Jesus«) des Grazer Künstlers Manfred Erjautz kann hier nur verwiesen werden. (Web-Tipp!)

Sehr schöne Beispiele finden sich aber auch ganz nahe: das Kreuz in der Kirche Bad Traunstein vom Künstlerpfarrer Elter oder jenes in der Kirche Matzleinsdorf. Die vom Holzbalken losgelösten Hände Jesu können da nämlich nicht nur als jubelndes Zeichen des Triumphs über den Tod verstanden werden, sondern auch als einladende Geste an uns, sich immer neu auf Jesus, die Ostererfahrung und das Symbol des Kreuzes einzulassen. Denn: »Das Kreuz ist weder ein beliebiges Dekor, noch ein Herrschaftszeichen. Es muss immer neu geschaut und erschlossen werden.« (Bischof Hermann Glettler)

Text: Raimund Stadlmann
Bild: Stift Melk, Kobler Brigitte