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»Das christliche Symbol in der Sprache«

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Zweifelsohne ist für uns Christen das wichtigste Symbol das Kreuz mir seiner ambivalenten Bedeutung. Zum einen erinnert es uns an den schändlichen Kreuzestod Jesu, zum anderen weist es darüber hinaus: Gott macht aus dem Schrecken einen Neuanfang. Er schenkt uns mit der Auferstehung die Hoffnung auf neues Leben, über Leid und Tod hinaus. Besonders sichtbar werden beide Bedeutungen am Karfreitag und in der Osternacht. Mitten im Leiden, Sterben und Tod kommt Gott uns nahe und schenkt uns Trost und Zuversicht. Einen genaueren theologischen Blick auf die Bedeutung verschiedener Kreuzesdarstellungen und deren Hermeneutik wirft Raimund Stadlmann in seinem Beitrag zu unserem Thema.

Ich möchte zunächst den Blick darauf schärfen, dass das Kreuz nicht nur in unserem Alltag und in unserer Kultur vielfach präsent ist, sondern allgegenwärtig auch in unserer Sprache.

Erzählen Sie selbst nicht öfter anderen Menschen von täglichen Belastungen, die das Leben schwer machen und verwenden dabei den Satz »Es ist halt ein Kreuz!«? Viele jammern heute auch über »Kreuzschmerzen«, deren Ursache oft langes Sitzen und Bewegungsmangel ist.

Mit dem »Kreuz des Lebens«, dem eigentlich niemand entgeht, verbinden wir die Schwierigkeiten, Krisen, Krankheiten, Katastrophen und Kriege. Und wenn man den Weg eines anderen »kreuzt«, steht das für Begegnung. Diese kann einerseits Grund zur Freude sein, manchmal kann eine solche aber auch zu Spannungen und Auseinandersetzungen führen. Und von »Kreuzungen« im Straßenverkehr sprechen wir, wenn sich zwei oder mehrere Verkehrswege überschneiden. Manche lieben es, »Kreuzworträtsel« zu lösen und strengen dabei ihre Gehirnganglien an, wenn sie beispielsweise andere Ausdrücke für die Redewendung »jemand zu Kreuze kriechen« suchen.

Wenn Sie einmal in einer Diskussion Ihre Meinung klar geäußert haben, waren Sie sicher froh, damit nicht ins »Kreuzfeuer der Kritik« geraten zu sein. In letzter Zeit konnten wir in Medien lesen, dass einige Politiker in den Untersuchungsausschüssen lange ins »Kreuzverhör« genommen wurden. Und wenn jemand ins »Kreuzverhör« genommen wird, wissen wir, dass das nichts Angenehmes ist. Mit einer »Kreuzfahrt« hingegen verbinden wir schöne Reisen und Urlaubsgefühle. Wie gegensätzlich die Bedeutung des Kreuzessymbols sein kann, wird besonders offensichtlich bei den beiden Eigenschaftswörtern »kreuzelend« und »kreuzanständig«.

Auch im Bereich der Medizin begegnen wir diesem Symbol. Schifahrer und Fußballstars müssen zurzeit ihre Karriere unterbrechen, weil sie sich einen »Kreuzbandriss« zugezogen haben. Viele Menschen leiden unter entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zwischen dem Becken und dem »Kreuzbein«, die zu lokalen Schmerzen über dem Gelenk führen. 

Und Blumen- und Pflanzenfreunde kennen sicher einige Pflanzen der Familie der »Kreuzblütler«, benannt nach dem lateinischen Wort »Kruzifix« (Cruciferae), weil die Blüten dieser Pflanze einem Kreuz ähneln. Einige Beispiele dafür: Wiesenschaumkraut, Blumenkohl, Brokkoli. Und man spricht von »Kreuzreaktivität«, wenn eine Allergie zu Reaktionen bei weiteren Stoffen führt.

Ich kenne auch viele Menschen, die Angst vor Spinnen und Schlangen haben, besonders wenn es sich um eine »Kreuzspinne« oder »Kreuzotter« handelt, die als giftig eingestuft werden.

Redewendungen wie »mit der Kirche ums Kreuz gehen«, »jemand aufs Kreuz legen«, »sein Kreuz tragen«, »sein Kreuz auf sich nehmen« sind uns bestens bekannt. Ja, das Wort »Kreuz« hat es sogar bis in die Bauernregeln geschafft: »hl. Kreuztag nass, wächst nirgends Gras.«

Auch viele Ortsnamen erinnern an das christliche Symbol. Vielleicht waren Sie schon einmal in Heiligenkreuz, Bad Kreuzen oder Kreuzstetten?

Auch mit Präpositionen geht das Wort »Kreuz« interessante Verbindungen ein. Wenn jemand unangemeldet plötzlich »aufkreuzt«, sind wir einmal positiv überrascht, ein andermal verstört, weil wir darauf nicht vorbereitet sind. Oft ärgert man sich, wenn man auf Ämtern lange Anträge ausfüllen und Abfragungen »ankreuzen« muss. Multiple Choice-Tests sind heutzutage bei Klausuren, Prüfungen und Umfragen üblich. Eine Fragetechnik, bei der zu einer Frage mehrere vorformulierte Antworten zur Auswahl stehen und man richtige »ankreuzen« muss.

Wenn manchmal unsere Lebenspläne »durchkreuzt« wurden, dann ärgert und nervt einen das. Denn oft ist das mit Verlust oder mit nervenaufreibenden Situationen verbunden. Erst in der Rückschau erkennen wir, dass der Plan B vielleicht doch der bessere war.

Wie ein ganzes Volk die Pläne der Spanier, deren Religion auszulöschen und durch das Christentum zu ersetzen, »durchkreuzt« hat, haben wir kürzlich in Mexiko bei der Mayabevölkerung hautnah erleben können. Die Mayas, von denen noch etwa sechs Millionen in Mexiko und Mittelamerika leben, sprechen noch Mayasprachen und haben auch einen Großteil ihrer Kultur bewahrt. Sie haben noch immer eine eigene Kosmogonie und Götterwelt, die sie bis heute nicht aufgegeben haben. Sie haben zwar den christlichen Glauben äußerlich angenommen, aber mit ihrem alten Glauben vermischt. Ein typisches Beispiel für die Symbiose von Christentum und Mayakultur ist das »Mayakreuz«, das vor und in den Kirchen präsent ist. Es symbolisiert die 4 Endpunkte im Mythos der Weltentstehung. In der Mitte des Kreuzes sind wir Menschen. An den Enden des Balkens ist das Ende des Kosmos. Der Ritus des »Sprechenden Kreuzes«, eine Art Orakel, stellt eine synkretistische Verschmelzung alter Maya-Religion mit christlicher Symbolik dar. Das Kreuz beinhaltet drei Elemente der alten Maya-Religion: Es wuchs auf den Wurzeln eines Kapokbaums (heiliger Baum des Lebens), der aus einer Höhle wuchs (heiliger Ort der Mayas), die sich bei einer Cenote befand (Ort der Regengötter Cháak). In der Kirche selbst erlebten wir ein Treiben, das sich kaum in Worte fassen lässt: ein Durcheinander alter Schamanenrituale, vermischt mit christlichen Elementen: beeindruckend und doch sehr befremdlich. Durchkreuzt eben.

Text: August Brückler