Neue Hoffnung für alle
Kann es mitten in einer Welt, die heute mehr denn je geprägt ist von Krisen, Ungerechtigkeit, Aggression, Krieg auf der einen Seite, von Sehnsucht und Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit auf der anderen einen schöneren Text geben als den vom Propheten Jesaja?
Ist er doch ein Text, der seit Jahrtausenden neue Hoffnungen weckt mitten in Zeiten, in denen Angst und Bedrohung Menschen zu schaffen macht.
Damals zu Zeiten Jesajas als auch heute. Ganz schlimm für uns Christen, dass gerade im 21. Jahrhundert wieder in vielen Teilen der Welt Krieg geführt wird, im sogenannten Heiligen Land Israel Terror gegen jüdische Zivilisten ausgeübt wurde und als Vergeltung ein Angriff auf Gaza begonnen hat. Ein Krieg, der die gesamte Region erschüttern wird.
Wie liest sich da so ein prophetischer Text in Verbindung mit der Botschaft von der Geburt Christi, des neuen Friedensfürsten?
Kann er unsere Erwartungen nach einem friedlichen Miteinander und ein gelebtes Mindestmaß an Menschlichkeit erfüllen? Was erfüllt Sie mit Hoffnung, wenn Sie diesen Text lesen?
Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht;
über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf.
Du mehrtest die Nation, schenktest ihr große Freude. Man freute sich vor deinem Angesicht,
wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird.
Denn sein drückendes Joch und den Stab auf seiner Schulter, den Stock seines Antreibers zerbrachst du wie am Tag von Midian.
Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt,
wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers.
Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt.
Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.
Die große Herrschaft und der Frieden sind ohne Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit, von jetzt an bis in Ewigkeit.
Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird das vollbringen.
Mit dem Volk, das in Finsternis wandelt, nimmt Jesaja direkt Bezug zur damaligen politischen Situation. Jesaja war ein Prophet in der Zeit zwischen 740 und 701 v. Chr. Eine Zeit der politischen und spirituellen Krise, denn Israel und Juda litten unter der Herrschaft des Assyrisches Reiches. In dieser Situation nimmt der Prophet in einer Art Danklied vorweg, was er für sein gemartertes Volk erhofft: Irgendwann wird die Fremdherrschaft und Unterdrückung ein Ende haben. Das Joch wird zerbrochen, die blutigen Uniformen werden verbrannt. Wo bislang Krieg und Gewalt herrschten, soll Friede sich ausbreiten. Licht am Ende des Tunnels wird sichtbar. Der Grund dieser Hoffnung ist die Geburt eines Kindes, eines Thronfolgers. An das Kind und seine Herrschaft richten sich große Erwartungen. Diese drücken sich aus in den Thronnamen, die man dem Kind mitgibt: Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst. Da sich aber seine Prophezeiung zu seinen Lebzeiten nicht erfüllte, werden die dem Kind zugeschriebenen Eigenschaften in weiterer Zukunft vom kommenden Messias erhofft.
Und mit den Versen »Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt« hat Mt und vor allem Lk die Gelegenheit gegeben, an seine Vision anzuknüpfen und sie auf das Kommen Jesu zu beziehen. Mit ihm beginnt ein neues Zeitalter. Heraus aus der Finsternis, hinein ins Licht. Schon im Stall von Betlehem wird daher nicht nur Armut sichtbar, sondern das Lichtvolle, Helle dominiert, wenn von Engeln die Rede ist, die mit ihrer Botschaft: »Fürchtet euch nicht. Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren« (Lk 2, 11) alle Dunkelheit überstrahlen. Und über dem Stall lobt ein großes himmlisches Heer Gott mit den Worten: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.« (Lk 2, 14). Ähnlich hat vor mehr als 2500 Jahren Jesaja den Friedensfürsten mit der Geburt eines Kindes besungen.
Aber weder in seiner Zeit noch nach der Geburt Jesu hat sich ein umfassender Friede eingestellt. Schon Herodes trachtet dem Kind nach seinem Leben. Und unsere krisengeschüttelte Welt schaut diesbezüglich auch nicht rosig aus. Zeigt das nicht, dass die Welt nach Jesajas Prophezeiung und der Geburt Jesu trotzdem die gleiche geblieben ist? Oberflächlich betrachtet ja, schauen wir aber tiefer, nein. Denn mit dem Licht, von dem Jesaja spricht, möchte er auch eine tiefere Wahrheit zum Ausdruck bringen: dass Gott uns auch in einer friedlosen Welt nicht vergisst und aufgibt. Und wenn die Weihnachtsbotschaft lautet: der Retter ist uns geboren und Frieden auf Erden wird uns verkündet, schlägt das in dieselbe Kerbe. Denn Gott selber tritt in die Geschichte ein, teilt mit uns Freud und Leid und lässt uns wissen, dass er uns immer nahe ist und nahe bleiben wird. Als Mutmacher in unseren Unsicherheiten, als mitleidender Tröster und Helfer in schwierigen Zeiten, als Hoffnungsträger seiner Friedensbotschaft der Gewaltlosigkeit, die er uns ans Herz legt. Weihnachten ist und bleibt somit eine Hoffnungsgeschichte: dass die Gewalt einmal endet, Gerechtigkeit siegt und der Frieden dauerhaft ist.
Mir gefällt auch, was der Journalist Benedikt Ernenz, der das Weihnachtsgeschehen als Sinnbild umfassender Versöhnung begreift, schreibt: »Vielleicht ist es dieser Moment einer vollkommenen Gemeinschaft: aus Gott und Mensch und Vieh. Aus Arm und Reich und Hoch und Niedrig. ... Alle Welt ... vereint in dieser Bude. Vollkommene Harmonie scheint auf, der Traum, Menschen und Dinge sind so, wie sie sind, und passen doch zusammen, bilden doch ein Ganzes und tun sich nichts...« (DIE ZEIT 2011)
In diesem Sinne friedvolle und gesegnete Weihnachten.
Text: August Brückler
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