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»Auferstehung als Wandlung am Weg«

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Die Ostergeschichte der Emmausjünger (Lk 24,13-35) kann für unseren Auferstehungsglauben eine große Rolle einnehmen, hat sie doch der Evangelist Lukas als einen Prozess der Wandlung und der Bewegung komponiert, der auch den Jüngern nach der Begegnung mit Jesus einen neuen Weg ermöglicht. Wir wollen daher diese Bibelstelle etwas genauer ansehen und nachdem einer der beiden Jünger namenlos bleibt – also für uns eine ideale Identifikationsfigur ist – wollen wir diese Gelegenheit nutzen, in Gedanken aufstehen und mit ihnen mitgehen.

Die zwei haben Jerusalem verlassen, das den Jesusjüngern als Ort der Hinrichtung ihres Messias nicht nur zur Bedrohung ihres Lebens, sondern auch zur Enttäuschung all ihrer Hoffnung geworden ist. Wie soll es nun weitergehen? Ängstlich und deprimiert zielen sie das Örtchen Emmaus an, am Weg sprechen sie über ihre traumatischen Erlebnisse der letzten Tage. Dabei gesellt sich ein Dritter zu ihnen, Jesus, doch sie erkennen ihn nicht, denn »ihre Augen waren gehalten« (V 16). Wer kann es den beiden verübeln, die in Jerusalem so viel miterlebt haben, dass sie nun in ihrer Sorge und Zukunftsungewissheit nicht den Auferstandenen sehen, sondern bloß irgendeinen, der mitgeht. Als sich dieser nun zu ihrer Überraschung völlig ahnungslos gibt, nutzen sie den gemeinsamen Gang, um auch ihm von der Schmach der Hinrichtung in Jerusalem zu erzählen.
Die beiden Männer berichten sogar von der Ostererfahrung der Frauen und von den dorthin geeilten Aposteln, die zwar tatsächlich das leere Grab vorfanden, »ihn selbst aber sahen sie nicht« (V 24). Zum zweiten Mal ist hier von einem Nicht-Sehen die Rede, wenn es um den Auferstandenen geht. Sogar als mitgehende Lesende könnte man bei diesen Zeilen schön langsam den Glauben und seine Zuversicht verlieren. Doch nun scheint der Weg der Emmausjünger eine erste Wendung zu nehmen, wenn Jesus die Unsicherheit der beiden Männer regelrecht tadelt (»Ihr Unverständigen« V 25) und ihnen die Bibel von Mose bis zu den Propheten erklärt. Gemeinsam geht er mit ihnen den geistigen Weg durch die Schrift des Judentums, um darzulegen, welchen Weg Jesus selbst gehen musste. Dieser Gang von Mose über die Propheten soll ihre »gehaltenen Augen« öffnen, damit sie sehen können, der Weg mit Gott habe für das Volk Israel trotz Leiderfahrungen hindurch stets zu Heil und Erlösung geführt. Doch so schnell kommt diese Erkenntnis nicht. Erst am Abend, als das Dorf erreicht ist, das gemeinsame Gehen zur Ruhe kommt und die drei Männer zum abendlichen Mahl am Tisch vereint sind, können sich die Augen gänzlich öffnen. Das Hören der Schrift hat zwar den Boden bereitet und die Jünger berührt (»brannte uns nicht das Herz« V 32), doch erst die Tat, als der Auferstandene das Brot teilt und ihnen reicht, lässt die vollständige Erkenntnis zu: Jesus lebt, er ist auferstanden. Nicht von außen kommt diese Erkenntnis, sondern von ihrem Innersten, denn die beiden Emmausjünger haben sich Jesus beim Gehen geöffnet und ihn in ihre Mitte eingeladen: »Bleibe bei uns!« (V 29) Nicht Jesus hat sich aufgedrängt, vielmehr haben sich die Jünger seinem Anwesend-Sein geöffnet. Was hier am Höhepunkt der dramatischen Erzählung nach Lukas passiert, darf nicht übersehen werden: Zwei Männer, die auf ihrem Weg der Verzweiflung begleitet worden sind, haben die Möglichkeit bekommen, von ihrer Last und Sorge zu reden, weil einer mit ihnen den Weg geteilt hat, der zuhört. Dieser Zuhörer hat ihre enge Sicht geweitet und ihre Augen für eine neue hoffnungsvolle Perspektive geöffnet, weil er seinem Reden auch Taten folgen hat lassen, indem er mit ihnen das Brot geteilt hat. Nicht sofort konnte das geschehen, es ist das vorläufige Ende eines Weges, der zu gehen war.

Und nun? Nun ist Jesus verschwunden. Just in dem Moment, als sie des Auferstandenen sicher waren, verlässt er den wundersamen Moment und gibt dadurch den Emmausjüngern die Freiheit, auf die Begegnung mit ihm selbstständig zu reagieren. So stehen sie auf und machen sich wieder auf den Weg. Sie scheinen verwandelt und gestärkt, um nach Jerusalem zurückzukehren, das ihnen nun nicht mehr Ort der Hinrichtung und des Endes ist, sondern der Anfang eines neuen Weges mit Jesus, dem Auferstandenen.

Lesen wir nun heute die Emmausgeschichte, stellt sich die Frage, ob auch wir bereit sind, uns der Ostererfahrung zu öffnen und den Weg der Wandlung mitzugehen. Wollen auch wir hinhören auf das, was Jesus uns sagen möchte, oder würden wir ihn überhaupt einladen, bei uns in unserer Mitte zu bleiben? Haben wir bei all der Geschäftigkeit und Hektik des modernen Lebens überhaupt noch ein Sensorium für die Botschaft Jesu, die sich eben nicht aufdrängen möchte und dabei trotzdem ein Angebot für unser gesamtes Leben sein will? Was sind denn wie damals das Brechen des Brotes heute eigentlich die Zeichen, die uns so sehr im Inneren treffen und unsere »gehaltenen Augen« öffnen können, so dass wir wie die zwei Jünger in Emmaus beseelt aufstehen und gewandelt in ein veränderntes Leben aufbrechen wollen? Oder haben wir diese Zeichen in unserer lauten und visuell so überladenen Zeit gar schon zugeschüttet, dass sie kaum mehr zu entdecken sind? Womit haben wir sie denn verdeckt? Und zuletzt: Wann habe ich eine Einladung ausgesprochen, die zu einem segensreichen Miteinander geführt hat, das mir Augen und Herz geöffnet, ja, mich gewandelt hat?

Nicht moralisieren wollen diese Fragen, sondern unseren Blick für das Geheimnis der Auferstehung schärfen: Wege teilen, einander zuhören und aussprechen lassen, was bedrückt. Zu völligem Erkennen hat das auch bei den Emmausjüngern nicht geführt, dafür mussten sie im gemeinsamen Mahl das Brot teilen. Das hat ihnen die Augen geöffnet, ihre Sicht verwandelt und neue Wege aufgezeigt. Auf diesem Boden geschieht Auferstehung.

Text: Raimund Stadlmann
Bild: © AdobeStock_218160652.jpeg