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Die Zeit des Wartens ...

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Advent

Mit dem vergangenen Sonntag hat der Advent begonnen. Überall begegnen wir seinem Symbol, dem Kranz, in allen Formen, kleinen und großen, bescheidenen und prunkvollen, und wir fragen uns unwillkürlich, was jene, die ihn schenken oder empfangen oder in ihren Wohnungen anbringen, sich wohl dabei denken. Manch einer wahrscheinlich gar nichts; er sieht in ihnen nur einen hübschen Brauch und macht ihn eben mit. Er ist ja wirklich schön, der grüne Kranz mit den roten Lichtern, dem Tannenduft und den ihn umgebenden Erinnerungen ... Andere empfinden einen Hauch des Geheimnisses. Der dunkle Winter, die brennenden Kerzen, deren Zahl von Sonntag zu Sonntag wächst und auf eine Erfüllung zugeht – alles das berührt sie mit einer Ahnung von etwas Heilig-Lebendigen. Das ist schon mehr, aber es genügt noch nicht ...
Was bedeutet also der Kranz?

Der Kranz spricht vom „adventus Domini“, der „Ankunft des Herrn“, und ruft uns auf diese Zeit, diese Ankunft vorzubereiten und uns darauf einzulassen. Im Kranz stehen vier Kerzen: vier Sonntage, vier Jahrtausende des Wartens. Die Vierzahl ist aber wieder symbolisch. Wir begegnen ihr in der Heiligen Schrift oft; sie meint ein großes Maß. So bedeuten die vier Jahrtausende eine sehr lange Zeit. Paläontologen und die Frühgeschichte belehren uns, wie lange sie gewährt hat. Vom Warten durch den endlosen Gang dieser Zeit reden die vier Kerzen. An jedem Sonntag wird eine mehr angezündet und spricht: wieder ein Dunkel vorbei – bis alle vier brennen, die „Fülle der Zeit“ im Licht steht, und Weihnachten da ist.
Die Menschen haben gewartet, und der Erlöser ist gekommen. Beides, das Warten wie das Kommen, ist also gewesen. Von hierher betrachtet, sagen die Kerzen nur: Denk an das lange Warten durch die dunklen Zeiten und an das leuchtende Geschehen vor zwei Jahrtausenden. Freu dich der heiligen Ankunft und sei dankbar ...

Sagt der Advent aber nur das?
Sicher nicht. Die Feste der Kirche erinnern sehr wohl an Vergangenes, sie sind aber auch Gegenwart, lebendiger Vollzug; denn was einmal in der Geschichte geschehen ist, soll sich im Leben des Glaubenden immer wieder ereignen. Damals ist GOTT gekommen, für alle Menschen. Er muss aber immer neu kommen, für jeden. Jeder von uns soll das Warten, jeder soll die Ankunft GOTTES in seinem persönlichen, konkreten Leben erfahren, damit sein Leben gelinge und seine Erfüllung finden werde.

Nach Romano Guardini, aus: Das Romano Guardini Gottesdienstbuch, Impulse und Lesetexte, 2018